Der zweite FDM-Geist: Lily
Dieser Beitrag ist Teil einer Fortsetzungsgeschichte. Sollten Sie die vorhergehenden Teile verpasst haben, finden Sie sie hier: Die Geister des FDM – Teil 1 und Die Geister des FDM – Teil 2
Als sie an ihrem Schreibtisch aufschreckte, war es bereits 23 Uhr. Wieder hörte sie Schritte im Flur und sah Lily, ein anderes Mitglied der Wachmannschaft, vor sich.
„Fred war doch schon hier“, murmelte sie noch etwas verschlafen.
„Warum Fred, der ist im Urlaub…? Vielleicht solltest du etwas schlafen.“
„Habe ich – glaube ich – schon… Ich muss den Text unbedingt in der nächsten Stunde fertig bekommen…“
„Gut, dann wünsche ich dir noch viel Erfolg.“
„Danke, schönen Feierabend.“
„Ebenfalls.“
Doch bevor Lily gehen konnte, wurde auch sie seltsam durchscheinend. Als Diana-Marie das bemerkte, stöhnte sie: „Nicht schon wieder. Und wer bist du? Der Geist unserer Zenodo-Community? Ich sollte wirklich aufhören, Weihnachtsfilme zu schauen, die tun mir definitiv nicht gut…“. Und so überraschte sie es nicht, als Lily mit einer dünnen und flirrenden Stimme zu sprechen begann: „Ich bin der Geist des gegenwärtigen FDM“. Diana-Marie erschrak, riss sich aber schnell wieder zusammen und antwortete: „Okay, so viele Geister gibt es ja nicht mehr. Zeigst du mir jetzt, was ich alles falsch mache?“. Aber Lily schwieg und gestikulierte nur, dass sie ihr folgen sollte. Im anderen Raum sah sie allerdings nicht wie erwartet die Teeküche des Instituts, sondern das Labor, in dem sie das letzte halbe Jahr fast ihre gesamte Zeit verbracht hatte. Sie sah sich um, entdeckte aber nur sich selbst vor dem Laptop sitzend. Sie erinnerte sich noch gut an den Tag vor ein paar Wochen – der Tag, an dem ihre Daten verschwunden waren. „Das ist nicht ganz die Gegenwart, das ist schon vier Wochen her“, teilte sie dem Geist des gegenwärtigen FDMs mit, der aber ignorierte sie. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich selbst bei der Arbeit zuzusehen. Ihr früheres Ich scrollte angestrengt und tippte immer wieder kurze Worte in die Suchfunktion ihres Rechners. Plötzlich erhob sie sich erschrocken, griff zum Telefon, und als unsichtbare Gäste erlebten sie und Lily die damaligen Ereignisse aufs Neue…
Ihr früheres Ich hatte nach einer längeren Mittagspause festgestellt, dass sie eine Datei nicht mehr finden konnte. Diana-Marie hatte damals das wichtigste Datasheet mit allen Ergebnissen einer Umfrage in der Cloud ihrer Hochschule gespeichert, aber nicht daran gedacht, dass alle Änderungen auf dem lokalen Rechner auch auf die Cloud übertragen werden. Da sie nicht geplant hatte, die Datei jemals zu ändern, hatte sie nicht damit gerechnet, dass es damit Probleme geben könnte. Allerdings hatte sie beim Aufräumen ihres Rechners aus Versehen die Datei gelöscht, da sie dachte, dass es sich um eine frühere Version handelte. Dies war ihr jedoch erst einen Tag später aufgefallen. Danach hatte sie verzweifelt mit dem Rechenzentrum telefoniert und erfahren, dass die Backup-Dateien der Hochschule durch einen Systemfehler allesamt ebenfalls gelöscht worden waren. Eine Verkettung unglücklicher Umstände und Zufälle, die ihre gesamte Arbeit bedrohten. Noch einmal durchlebte Diana-Marie die immer größer werdende Panik und Verzweiflung, die sie damals gequält hatten, aber auch die Erleichterung, als ihr früheres Ich einen USB-Stick in ihrer Küche fand, auf dem die Datei als zusätzliche Sicherung noch gespeichert war. Nach diesem Schrecken hatten sie und ihre KollegInnen wieder angefangen, eigene Backups zu machen und diese an drei verschiedenen Orten zu speichern.
„Schön“, wandte sie sich an Lily, „was soll mir das sagen?“. Aber Lily drehte sich nur um und Diana-Marie lief ihr erneut widerstrebend hinterher, während sie es noch einmal versuchte: „Wirklich ein toller Traum. Aber fehlt da nicht noch jemand?“, während sie überlegte, wie sie ihre Familie dazu bringen könnte, dieses Jahr mal einen anderen Weihnachtsfilm an den Festtagen zu schauen. Gab es nicht so viele schöne Weihnachtsfilme? Von denen sie keine Albträume bekommen würde? …
Wie die Geschichte endet, erfahren Sie am Freitag vor dem 4. Advent.